Im ersten Teil der Woche ging es darum, "gesichtslose Porträts" zu machen, also Körperteile zu fotografieren, die etwas über den Porträtierten aussagen, aber ohne dass man das Gesicht sieht. Ich habe es zuerst mit Fremden auf der Strasse versucht, weil ich dachte, das sei einfacher. Doch selbst im grössten Trubel und selbst wenn man "nur" auf die Füsse fokussiert, merken die Leute, dass sie fotografiert werden.
Nach dem Fasnachts-Umzug |
Seniorin vor der Post |
Wichtig war mir hier: ihre schönen Hände, der Lichteinfall und die typische Arbeitssituation |
Im zweiten Teil der Woche ging es um "richtige" Porträts, also mit Gesicht. Dabei sollten wir weiterhin das anwenden, was wir in den vorigen Wochen gelernt hatten: auf das Licht achten, verschiedene Standpunkte einnehmen, verschiedene Brennweiten ausprobieren, auf die Bildkomposition achten. Aber am wichtigsten war auch hier, uns immer wieder die Zauberfrage zu stellen: What matters to me? Was ist mir hier wichtig? Was will ich zeigen? Was gefällt mir an diesem Menschen besonders? Und das müssen gar nicht unbedingt nur äusserliche Merkmale sein.
Wichtig war mir: seine Konzentration, sein schöner Oberkörper und das typische Arbeitsumfeld |
Die Kursleiterin Darrah hat uns eine Reihe von Tipps gegeben, wie wir vorgehen sollen, damit sich die Porträtierten vor der Kamera wohl fühlen. Die habe ich dann gleich bei der Gruppen-Fotosession versucht anzuwenden. Einer der wertvollsten technischen Tipps war, auf Serienmodus zu schalten und ganz viele Aufnahmen zu machen - sie nennt es den "Paparazzi-Modus" :-)). Aber noch wichtiger und beeindruckender war für mich, dass sich meine Einstellung auf die Porträtierten überträgt: Bin ich gehemmt, sind sie es auch, bin ich lustlos, machen sie auch nicht gerne mit. Also habe ich mich bewusst konzentriert, meine Hemmungen abgelegt und das Fotografieren voll genossen. Ich habe die Kollegen angeleitet, habe versucht, sie durch ständige Kommunikation bei der Stange zu halten, habe ihnen meine Freude über die schönen Fotos mitgeteilt und habe versucht, meine Begeisterung rüberzubringen. Und wenn ich gemerkt habe, dass ein Foto unscharf geworden ist, habe ich das für mich behalten und bin positiv geblieben. Es hat mir sooo Spass gemacht! Ich glaube, ihnen auch:.
Ist das nicht eine tolle Gruppe? |
Die letzte Fotosession war am Samstag mit der Teamleiterin. Wir hatten beide Wochenenddienst, sie am Sportdesk, ich am allgemeinen Desk. Dazu muss ich sagen, dass ich diese Wochenenddienste hasse: kein Mensch da, die ganze Gegend ausgestorben, öd und hässlich, Kunden kommen auch kaum vorbei. So gerne ich sonst alleine auch bin, durch diese Wochenenddienst muss ich mich regelrecht quälen. Es kommt mir vor, als müsse ich mich Minute für Minute durch eine dickflüssige Masse zwängen, bis ich dann endlich völlig ausgelaugt und halb depressiv nach Hause kann und niemanden mehr sehen mag. Aber nicht dieses Mal! Diesmal ist mein Samstagsdienst im Nu verflogen, und ich bin voll motiviert, energiegeladen und beschwingt aus dem Fernsehstudio rausgekommen! Der Unterschied zu sonst war, dass ich, nebst meinen üblichen Abeiten, fotografiert und die Fotos bearbeitet habe. Wenn ich fotografiere oder Fotos bearbeite, versinke ich in dieser Tätigkeit, bin voll konzentriert, gehe ganz darin auf und meine Unsicherheit fällt Stück für Stück von mir ab. Ich spüre Freude, Begeisterung, Spass und eine Welle an positiver Energie, die mich mitreisst und auflädt. Zuerst habe ich die Gruppenfotos von Donnerstag aussortiert und bearbeitet. Kaum fertig, ging's an die Fotosession mit der Teamleiterin. Und anschliessend an die Bearbeitung der letzten Fotos. Da war dann auch gleich Feierabend! So hat mir der Wochenenddienst zum ersten Mal richtig Spass gemacht! Diese Erfahrung hat mir natürlich auch zu denken gegeben. Sollte sich das aber nicht immer so anfühlen, oder zumindest häufiger? Oder ist das zu viel verlangt?
Was mir wichtig war: ihre sinnliche Schönheit, ihre wunderschönen blauen Augen und ihren Power |
Zum Schluss der Woche gab's noch die Bonus-Aufgabe: ein Selbstporträt machen. Ich wollte dafür auf meine Lieblingsbank am Waldrand. Wie gut, dass ich mir einen Fernsauslöser gekauft hatte! Aber wie blöd, dass ich ihn zu Hause vergessen habe! Da ich zu faul war, ihn holen zu gehen, habe ich es mit dem Selbstauslöser gemacht. Ich bin also etwa 50 Mal zwischen Kamera und Bank hin und her gerannt, und habe mich noch gewundert, dass so ein ausgeklügeltes technisches Meisterwerk nur gerade mal maximal 10 Sekunden Countdown-Zeit bietet. Bis ich entdeckt habe, dass ich ja bis zu 9 Bildern in Intervallen bis zu 3 Sekunden Intervallen einstellen kann. Kluge Nikon-Entwickler! Die letzten 50 Mal musste ich also nicht mehr so rennen, bis ich mein Selbstporträt im Kasten hatte.
Tipp gegen schlechte Stimmung und Frühlingsmüdigkeit: Selbstporträt machen mit dem Selbstauslöser! |
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