Sonntag, 18. November 2012

Konzertfotografie - eine verpasste Gelegenheit

Ich hatte die Gelegenheit, mit meinem Fotokünstler als "Pressefotografin" einige Konzerte am Salzburger Jazzherbst zu besuchen.


Das war grad mal eine Woche nach Santorini. In Gedanken war ich immer noch bei weissen Kirchenmauern vor tiefblauem Himmel, beim Meer, dem hellen Licht und dem frisch gepressten Orangensaft am Strassenrand. Ich war noch nicht bereit für festbeleuchtete Konzertsäle, warme Strümpfe und maximale ISO-Werte. Also war ich auch weder vorbereitet, noch besonders motiviert für den Salzburger Jazzherbst. Eigentlich wollte ich gar nicht so richtig hin, schon gar nicht zum Fotografieren. Doch mein Fotokünstler hätte mich gerne dabei gehabt und es winkte ein gratis Konzert von Paolo Conte, in der drittvordersten Reihe im Grossen Festspielhaus. Also ab nach Salzburg!
Paolo Conte hat dann seinen Auftritt kurz vorher abgesagt, weil er ins Spital musste. Stattdessen kam Paco de Lucia, ein Weltstar und absoluter Virtuose auf seiner Gitarre. Doch nach einer Flamenco-Überdosis in meiner Jugend kann ich dem machohaften Gestampfe und Geschreie nicht mehr so viel abgewinnen. Die anderen beiden Künstler, an deren Konzerte ich den Fotokünstler begleiten sollte, kannte ich Jazz-Banausin nicht mal dem Namen nach:

Nnenna Freelon
 
James Blood Ulmer

Ich nehm's gleich vorweg: Die Gelegenheit für eine richtig gute Einführung in die Konzertfotografie habe ich voll verpasst, weil es, wie gesagt, einfach nicht der richtige Moment dafür war. Ein bisschen mitfotografiert und gefragt habe ich schon, aber ich hätte viel mehr draus machen können. Und kaum war ich etwas drin und dabei, Spass an der Sache zu entwickeln, war's auch wieder vorbei. Erst im Nachhinein ist mir klar geworden, dass ich das Ganze bewusster hätte angehen können, um wirklich etwas zu lernen, nämlich als ich nachher das Buch von Loe Beerens "Konzertfotografie. Three songs, no flash!" gelesen habe. Was soll's, ein paar grundlegende und interessante Beobachtungen zum Thema Konzertfotografie habe ich trotzdem gemacht:

1. Als Konzertfotograf sollte man frühzeitig da sein. Dann kann man seine Ausrüstung in Ruhe auspacken, die räumlichen Verhältnisse prüfen, die Belichtung (manuell) einstellen und mit den anderen Konzertfotografen Tratsch und Horrorgeschichten austauschen: "Die Ute Lemper kommt auch!!!" - "Nein echt?! Vielen Dank für den Hinweis (wer ist Ute Lemper??)", "Beim letzten Konzert ist der Manager nach dem ersten Song rausgekommen und hat alle Kameras eingesammelt!", "Beim letzten Mal, wo ich den Musiker XY fotografieren wollte, hat ihn ein Fotograf gleich zu Beginn so angeblitzt, direkt ins Gesicht, dass der gleich wieder rechtsumkehrt gemacht hat und aus dem Saal gegangen ist."

2. Als Fotograf soll man so wenig wie möglich stören. Deshalb musste ich alle Lichtquellen ausschalten. Auch das Display, die Fotos könne ich dann ja zu Haus kontrollieren. Denn als Zuschauer wird man automatisch abgelenkt, wenn in der vorderen Reihe ein Bildschirm aufleuchtet.  Das Autofokus-Hilfslicht auszuschalten habe ich leider nicht geschafft. Erstens wusste ich nicht wie, zweitens war ich mir nicht sicher, ob nachher der Autofokus noch richtig funktionieren würde.

3. Als Fotograf soll man so wenig wie möglich stören. Auf keinen Fall Lärm machen, sprich möglichst leise auslösen. Ha, da hat doch meine Nikon D7000 diesen wunderbaren Q[uiet]-Modus! Den habe ich natürlich verwendet. Doch bei den leisen Stücken stört sogar der. Also darf man während der ruhigen Stücke gar nicht fotografieren, nur bei den lauten. So hat uns Paco de Lucias Manager mitgeteilt, wir dürften während der ersten Stücke nicht fotografieren, weil er dann alleine mit seiner Gitarre spielt. Hält man sich an solche Anweisungen nicht, kann das passieren, was unter Punkt 1 geschildert ist.

4. Als Fotograf soll man so wenig wie möglich stören. Also sich auch möglichst wenig bewegen. Da bestand bei mir keine grosse Gefahr, da ich erstens müde von der langen Reise war, zweitens bewegungsfaul bin und drittens eh nicht sonderlich an den Fotos von mir völlig unbekannten Künstlern interessiert bin. Mein Fotokünstler, der am Rand sass, stand während der Zugabe auf und machte noch ein paar Fotos von weiter vorne aus (während der Zugabe darf man das). Somit hatte er die Künstlerin auch aus einem anderen Blickwinkel auf seinen Aufnahmen.

Nnenna Freelon

5. Als Fotograf soll man so wenig wie möglich stören, die anderen Zuschauer nicht, die ja viel Geld für ihre Billete bezahlt haben, und den Künstler schon gar nicht. Der sagt nämlich wo's lang geht, nicht der Veranstalter. Fragen oder nicht fragen, das ist hier die Frage. Frage ich, ob ich fotografieren darf, und der sagt nein, muss ich mich dran halten und habe also Pech gehabt. Frage ich nicht und fotografiere einfach, riskiere ich, dass der Künstler das Konzert unterbricht und ich vom Saal verwiesen werde (oder eine andere Horrorgeschichte von Punkt 1) - wie peinlich wäre das denn! Also frage ich. Ich rufe Paco de Lucia beim Soundcheck - so nennt man hier die Generalprobe - auf der Bühne zu: "Es posible tomar fotos - para la prensa?" Keine Ahnung, in welch tief verborgenem Geheimfach ich solche Wörter gespeichert habe, und dank welch wundersamem neurologisch-hormonellem Zusammenspiel sie sich zu diesem nahezu perfekten spanischen Satz zusammenfügen - mein Spanischunterricht ist 26 Jahre her, und da war es erst noch nur ein Freifach. Tomar sei zwar nicht ganz üblich, klärt mich meine sich ebenfalls wundernde Freundin und Spanischlehrerin später auf, sondern sacar, aber immerhin. Jedenfalls antwortet mir der Meister, nach einigen Sekunden perplexem Schweigen, "si", das sich ein bisschen wie ein knurrendes "säää" anhörte. Et voilà:


Paco de Lucia zum Ersten,


zum Zweiten

und zum Dritten!

Übrigens waren alle drei Konzerte phantastisch und es hat mich fast ein wenig gereut, dass wir wegen mir ein weiteres Konzert versäumt haben.

Montag, 12. November 2012

Abstrakte Fotografie auf Santorini

Seit bald einem Monat bin ich nun schon aus Griechenland zurück und noch immer habe ich keinen Blogeintrag darüber verfasst. In der Regel gehe ich nach einem Workshop so vor, dass ich zuerst die Fotos sichte und auswähle, sie bearbeite, dann eine noch engere Auswahl treffe und anschliessend, wenn mit den Fotos auch die Erinnerungen und Eindrücke sortiert und geordnet sind, schreibe ich meinen Blogeintrag darüber. Bei diesem Kurs ist das aber unmöglich - die Fotos und Eindrücke sind schlichtweg zu viele! So werde ich einfach irgendwo anzufangen, auch wenn die Nachbearbeitung noch nicht abgeschlossen ist.
Der Workshop "Abstrakte Fotografie auf Santorini" von Markus A. Bissig war in verschiedener Hinsicht Höhepunkt und eigentlicher Auslöser meines Kreativitätsurlaubes. Ich habe Markus vorletztes Jahr an seinen beiden Tages-Workshops "Fotografische Grundbegriffe: Schärfe, Blende, Verschlusszeit" und "Fotografische Bildgestaltung" in Zürich kennengelernt. Mehr noch als das seine profunden fotografischen Kenntnisse haben mich die Leidenschaft und Begeisterung beeindruckt, mit denen er sein Wissen weitergibt. In Griechenland war ich noch nie, Santorini war schon seit längerem eine Traumdestination für mich, und dass Markus Wert auf gutes Essen und feinen Wein legt und "no Stress" versprach, das alles hat mich letztendlich überzeugt, mit ihm auf Reisen zu gehen. Und ich wurde nicht enttäuscht!
Ich könnte jetzt ausführlich über das gesamte Programm des einwöchigen Workshops berichten, oder es aber in einem Satz zusammenfassen: Der Workshop war einfach perfekt! Von der ersten bis zur letzten Stunde wurden wir von Markus mit Erlebnissen unterschiedlichster Art verwöhnt:
  • Fotomotive: Markus kennt die Insel in und auswendig. Er wusste genau, wann welches Sujet in welchem Licht stehen würde und wo die versteckten Klöster und Kirchen abseits der Touristenwege stehen, die wir in aller Ruhe fotografieren konnten.
  • Essen und Trinken: Es gab von allem und das reichlich! Wir konnten uns durch sämtliche griechischen Speisen durchessen: vom Griechischen Jogurt mit Früchten und Honig zum Frühstück, über den frisch gepressten Orangensaft am Strassenrand bis hin zu all den griechischen Vorspeisen und Hauptgerichten zum Abendessen. Und dazu gab es jeden Tag einen neuen Wein zum Probieren - unglaublich, was für leckere Weissweine auf Santorini gekeltert werden und wie gut die roten vom Festland schmecken!
  • Sommerferien-Feeling: Dazu gehört für mich Sonne, Wärme, Erholung und Baden. Und all das gab's denn auch. Selbst der berüchtigte Wind von Santorini hat uns die ganze Woche verschont!

Aber natürlich stand das Fotografieren im Zentrum der Woche, genauer genommen die abstrakte Fotografie. Die Lichtverhältnisse, die Farben und die Kykladen-Architektur eigneten sich denn auch ideal dafür. Gerade bei den vielen Kirchen und ehemaligen Klöstern konnten wir uns ungestört fotografisch austoben:

 


Nur schon durch die Situation von Licht und Schatten ergaben sich spannende Fotosujets:


 

Aber es gab ja nicht nur weisse, sondern auch bunte Kirchen:



Und selbstverständlich durften wir auch "normal" fotografieren und die üblichen Touristenfotos machen:
 
 
 
 
Besonders als wir am vierten Tag auf die gegenüberliegende Insel Thirassía gefahren sind, wo das Rad der Zeit zurückgedreht schien, gab es massenweise die typisch malerischen Griechenland-Motive:
 
 

 

 
Ein Traum! Und überall und immer wieder blau und weiss. An dieser Farbkombination konnte ich mich bis zum Schluss nicht satt sehen.
 
Doch lustigerweise hatten wir dann auch schnell wieder genug von den üblichen Bilderbuch-Motiven - dabei hatte ich es mir eher umgekehrt vorgestellt! Markus hat es tatsächlich geschafft, in dieser Woche bei uns die Liebe zur Abstraktion tief zu verankern. So meinte denn eine meiner Reisegefährtinnen zum Schluss: "Was will ich mit so vielen Fotos von Blumen und Türen! Ich gehe lieber noch etwas abstrakt fotografieren!"